Maximilians größter Sieg aus lokaler Perspektive
Elisabeth Klecker, Christof Metzger, Friedrich Simader
Nachdem der Streit um das Erbe Herzog Georgs des Reichen von Bayern-Landshut († 1. Dezember 1503) zwischen Ruprecht von der Pfalz und dem von seinem Schwager Maximilian unterstützten Herzog Albrecht von Bayern-München im sog. Landshuter Erbfolgekrieg eskaliert war, setzten beide Seiten in der Kriegsführung zunächst auf eine Abnützungsstrategie. Am 12. September 1504 brachte schließlich die einzige größere Schlacht des Krieges bei Wenzenbach nahe Regensburg eine Vorentscheidung: Der Sieg der Truppen Maximilians und Herzog Albrechts über die von Pfalzgraf Ruprecht angeworbenen böhmischen Söldner gab Maximilian die Möglichkeit, den Konflikt im Kölner Spruch (30. Juli 1505) zu beenden und damit auch seine Autorität gegenüber den Reichsfürsten zu behaupten: Er stand am Höhepunkt seiner Macht. Es ist daher nicht überraschend, dass die „Böhmenschlacht“ eine besondere Stelle in Maximilians Gedächtniswerk einnimmt. Maximilians Sieg fand unmittelbares Echo in der zeitgenössischen deutschen Ereignisdichtung, Humanisten wie Heinrich Bebel, Conrad Celtis und Hieronymus Vehus ergriffen die Gelegenheit zu lateinischer Panegyrik, der Krieg lieferte auch das traditionelle Sujet eines Epos: In der Austrias de bello Norico stellt Ricardo Bartolini († 1529) Maximilian über antike Helden.
Johann Kurtz – Hans Burgkmair d. Ä., Die behemsch schlacht
Aus der unmittelbaren zeitgenössischen Publizistik sticht ein Einblattdruck hervor, der einen Johann Kurtz zugeschriebenen Reimpaarspruch in 132 Versen mit einer Holzschnittillustration Die behemsch schlacht von Hans Burgkmair d. Ä. kombiniert. Die Albertina Wien besitzt ein in Text- und Bildteil zerschnittenes Exemplar (DG 1959/279), auf dessen Rückseiten sich lateinische Notizen befinden: Auf dem Verso des Textteils die historische Einordnung aus der Fortsetzung des Nicolaus Baselius zur Chronik des Johannes Nauclerus (Tübingen 1516), fol. CCCVIIr und CCCVIIv:
Nicolaus Beselius in additione Chronographiae Joannis Naucleri tubingensis
Nam referunt mille sexcentos viros ex Boemia in ore gladii cecidisse, captis plurimis, atque in fugam reliquis elapsis
Man berichtet nämlich, dass 1600 Männer aus Böhmen dem Schwert zum Opfer fielen, sehr viele gefangen genommen wurden und die übrigen durch Flucht entkamen.
Anno domini MCCCCCIII cum in Bavaria res ferro et igne agerentur, Rupertus Bavariae dux et Georgii ducis defuncti gener, videns quam nihil proficeret, quinpotius hostium gustata tyrannide omnia in praecipitium irent, dolore cordis tandem intrinseco annum aetatis agens XXIII. mortem obiit, uxor vidua non diu supervivens mortis acerbitate absumpta virum secuta est.
Als im Jahr 1503 in Bayern mit Feuer und Schwert gekämpft wurde, musste Herzog Ruprecht von der Pfalz, der Schwiegersohn des verstorbenen Herzogs Georg, mitansehen, wie wenig er ausrichtete, ja dass eher alles das Regime der Feinde zu spüren bekam und in den Abgrund stürzte; er verstarb schließlich am Schmerz, der ihn tief im Herzen getroffen hatte, im 23. Lebensjahr; die verwitwete Gattin überlebte ihn nicht lange, sondern folgte von einem bitteren Tod dahingerafft ihrem Mann.
Interessanter erscheint der Eintrag auf dem Verso des Holzschnitts, der aus zweimal fünf durch eine rote Linie von einander abgesetzten lateinischen Hexametern besteht:
Princeps romanus regum rex Maximilianus
Magnanimus fortis victor clarissimus armis
Magnificus felix regum justissimus unus
Boiemos vicit felici et Marte cecidit
Egressos patriis silvis et iure triumphat.
Der römische Princeps, König der Könige Maximilian,
Ein hochherziger, starker Sieger, hochberühmt in Waffen,
Der großartige, glückliche, der Könige allergerechtester,
Besiegte die Böhmen und machte sie in glücklichem Streit nieder,
als sie die heimatlichen Wälder verlassen hatten,
und zurecht triumphiert er
Postquam omnes tenuere fugam parsumque tricentis
Cedibus et multo maduere sanguine campi
Cesar iam fessas revocans in castra cohortes
Captorum turbam ingentem manibusque revinctum
Vulgus Regini victor praemisit ad arcem
Nachdem alle die Flucht ergriffen hatten und dem dreihundertfachen
Morden Einhalt geboten war und die Felder vom vielen Blut trieften,
Da rief Caesar die schon ermüdeten Truppen ins Lager zurück
Und sandte eine ungeheure Menge Gefangener, an den Händen gefesseltes
Volk als Sieger voraus zur Burg von Regensburg.
Im Unterschied zum Verso des Textteils fehlt eine Quellenangabe, es handelt sich jedoch auch hier um Zitate – aus zwei verschiedenen Werken: Die ersten fünf Verse stammen aus einem Gelegenheitsgedicht Heinrich Bebels (1472–1518), das bald nach der Schlacht bei Wenzenbach entstanden sein dürfte, jedoch erst 1509 gedruckt wurde: Ecloga triumphalis. Bei der zweiten Versgruppe handelt es sich um den Anfang des elften Buchs der Austrias, das unmittelbar nach der im zehnten Buch geschilderten Schlacht einsetzt. Benützt wurde der Erstdruck von 1516, die von Jakob Spiegel (1483–1547) kommentierte Ausgabe (gemeinsam mit dem Ligurinus 1531) bietet den Text mit einer Korrektur im ersten Vers (cruentis „blutig“ statt des nicht sinnvollen trecentis „dreihundertfach“), die Spiegel freilich schon 1516 unter den Erasmus Strenberger gewidmeten Emendationes im Anschluss an den Erstdruck publiziert hatte.
Während ein Blick in die Austrias naheliegt, um passende Verse zum Landshuter Erbfolgekrieg und seiner Entscheidungsschlacht zu finden, setzt das vorangehende Zitat eine genauere Kenntnis der Panegyrik zur Schlacht bei Regensburg voraus: Die Versgruppe ist mitten aus Bebels Ekloge herausgegriffen, jedoch inhaltlich geschlossen und für sich verständlich. Dies verdankt sich der Eigenart, dass das Loblied der Hirten auf den Sieger Maximilian nach dem Vorbild von Vergils achter Ekloge durch einen Refrain (versus intercalaris) strophenartig gegliedert ist.
Die Blätter der Albertina stammen aus dem Bestand der Wiener Hofbibliothek, sie wurden 1873 als illustrierter Einblattdruck aus der Handschrift Cod. 3301 herausgelöst (fol. 156 und 157) und der Kupferstichsammlung einverleibt; diese kam im Zuge der Museumsreform 1920/21 an die Albertina. Cod. 3301 ist ein Sammelband, der von Hieronymus Streit(e)l († nach 1531), zwischen 1515 und 1518 Prior des Augustiner-Eremiten-Kloster St. Salvator in Regensburg, zusammengestellt wurde. Streitel war vermutlich zwischen 1502 und 1527 Bibliothekar seines Klosters und nützte die Tätigkeit für historische Forschungen, wobei sein Interesse in erster Linie, wenn auch nicht ausschließlich, der Regensburger Lokalgeschichte galt: In Bibliotheken in Hamburg, München und Wien haben sich aus seinem Nachlass mehrere Bände erhalten, in denen Streitel entsprechende Materialien handschriftlich zusammengestellt, aber auch Drucke eingebunden hat. Die Sammelhandschriften zeigen Streitel zugleich als Leser humanistischer Dichtung – Sebastian Brant ist ebenso vertreten wie Conrad Celtis und Baptista Mantuanus, wobei ein Schwerpunkt bei humanistischem Heiligenlob zu erkennen ist. Die ursprüngliche Zusammensetzung der Wiener Handschrift lässt zudem auf ein gewisses Faible für illustrierte Einblattdrucke schließen, die zu unterschiedlichsten Themen versammelt waren.
Ein Regensburger Leser
In dem zweigeteilten Blatt der Albertina und den autographen Einträgen der Rückseiten konzentrieren sich also mehrere Interessen Streitels, vorrangig war aber zweifellos der Regensburger Lokalbezug. In den Collectaneen im Codex Clm 14053 der Bayerischen Staatsbibliothek findet sich ein weiterer Eintrag zur Schlacht: fol. 200r Epitaphium in strage Boemorum per Caesarem facta apud Ratisponam. Streitel las humanistische Dichtungen aus Anlass von Maximilians Sieg wohl nicht nur als Lob für den heroischen Sieger, sondern weil sie als Zeugnisse für die historische Bedeutung Regensburgs dienen konnten.
Nach Wien kam Streitels Sammelband wie andere Bücher aus seinem Besitz und aus seinem Kloster mit großer Wahrscheinlichkeit durch die Sammeltätigkeit des kaiserlichen Hofrats Caspar Nidbruck (1525–1557), der wir den Grundstock der Hofbibliothek, und damit der heutigen Österreichischen Nationalbibliothek verdanken. Nidbruck besuchte das Augustiner-Eremiten-Kloster St. Salvator in Regensburg mindestens zweimal; laut den erhaltenen Notizen erwarb er dabei über 50 Handschriften und Drucke.