Bemerkungen zu den Gattungen der lateinischen Drucke für Ks. Maximilian I.

Remarks on the genres of the Latin prints for Emperor Maximilian I.

Lukas Ebert

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In den Katalogen der VD16 (https://www.gateway-bayern.de/TP61/start.do ) und der Österreichischen Nationalbank begegnen 39 Drucke, in denen Maximilian schon im Titel erwähnt wird (exklusive späterer Nachdrucke selber Werke).

Neben drei Epen, zwei Prognostika und den Amores des Conrad Celtis führen 20 Drucke einzelner Reden, Gedichte und Aufführungen, sowie 13 Anthologien diverser Reden und Gedichte vor/an Maximilian den Kaiser im Titel. Unter jenen Drucken, die als selbständige Publikationen erschienen, finden sich neun Reden vor/an Maximilian, vier Gedichte, je zwei theologische Traktate, Theateraufführungen und Aufforderungen zum Krieg gegen die Türken bzw. Venedig, sowie Bartholinus’ Reisebericht zum Wiener Fürstentag 1515. Bei den Anthologien wird der Konnex zu Maximilian sechs Mal via ihm gewidmeten Gedichten, fünf Mal in an den Kaiser adressierten Reden, sowie durch je eine dem Herrscher dedizierte Rechts- und Briefsammlung hergestellt.

Obgleich diese Verteilung noch zu relativieren sein wird, da eine größere Zahl panegyrischer Einzelgedichte als Teil von Sammlungen nicht direkt in der VD16 oder dem Katalog der ÖNB aufscheint, wird sie nicht mehr grundlegend umgestoßen: Durch jene Reden, die im Kontext von Ereignissen entstanden und gedruckt, aber aus denselben Gründen wie einzelne Gedichte nicht direkt erfasst wurden, wird auch ihre Zahl weiter steigen.

Der hohe Anteil der Oratio unter den lateinischen Drucken für Maximilian bleibt demnach bemerkenswert. Wie Müller feststellte (1982, 74-79), wurden Drucke im Umfeld Maximilians weder inflationär verbreitet, noch durften beim Publikum die für ein Textverständnis benötigten Lateinkenntnisse vorausgesetzt werden, weshalb die publizierten lateinische Reden qua ihrer Natur kein Medium flächendeckender Propaganda sein konnten. Während der unmittelbare praktische Nutzen ihres Drucks für die Auftraggeber also überschaubar blieb, erschließt sich auch die Bereitschaft der humanistisch gebildeten Verfasser, sich in vermeintlicher Alltagsliteratur zu ergehen, nicht unbedingt auf den ersten Blick.

Andere Textgenera wie das Epos oder die panegyrische Dichtung hätten den Poeten eine offensichtlichere Möglichkeit geboten, um ihr literarisches Vermögen und ihre Fähigkeit zur Glorifizierung unter Beweis zu stellen und sich so die Patronage der Führungselite zu sichern. Die quantitative Näherung an die lateinischen Drucke für Maximilian legt jedoch nahe, dass dem nicht so war: Hätten nicht beide Parteien die Oratio als fruchtbares literarisches Produkt wahrgenommen, wäre die Summe der gedruckten lateinische Reden schlicht niedriger gewesen. Die Auftraggeber maßen ihnen offenbar einen bleibenden Wert bei, der über den Moment ihres Vortrags hinausreichte, während die Verfasser wiederum in ihnen die Chance sahen, sich literarisch zu profilieren.

Zweifellos besteht die Option, dass sich viele Autoren mit dem Verfassen einer Oratio lediglich den Wünschen ihrer Finanziers beugten und einen vorhandenen Markt bedienten, doch gerade dies gilt es vor dem Hintergrund der zu erforschenden Interaktion und Intertextualität lateinischer Schriftsteller im Umfeld Maximilians zu prüfen. Klarheit könnte hier die systematische Analyse von Korrespondenzen und Paratexten hinsichtlich metapoetischer Debatten verschaffen. Aus gattungstheoretischer Perspektive überrascht die Fähigkeit zum Verfassen stilistisch hochwertiger lateinischer Reden jedenfalls nur wenig, trennt eine Rede, in der der Kaiser gelobt wird, vom panegyrischen Gedicht doch zumeist nur das Versmaß, nicht aber die inhaltliche Ausrichtung.

Wenn im Epos oder einem panegyrischen Gedicht die Heldentaten des Kaisers besungen und seine vorbildlichen Charakterzüge gerühmt werden, geht dies zwangsläufig einher mit einer hyperbolischen Darstellung. Doch auch in der Rede ist der Verfasser nicht zur Objektivität verpflichtet, es liegt sogar im innersten Kern einer Oratio, mit ihrer Hilfe eine subjektive Agenda zu verfolgen. Im Dienste dieser Agenda kommt es ebenso wie beim panegyrischen Gedicht zu einer überschwänglichen Charakterisierung des Kaisers, auch hier erfährt er – es sei denn, es handelt sich um eine Invektive –, wenn ausländische Gesandtschaften bei ihm vorsprechen, ihm zum Krieg gegen die Türken und/oder Venedig geraten wird, oder die Rede den Anlass, dem der Herrscher beiwohnt, emporhebt, durch die Worte anderer eine Huldigung.

Die Reden vor und an Maximilian hinsichtlich intertextueller Berührungspunkte zu anderen panegyrischen Texten zu untersuchen und zu eruieren, ob vielleicht sogar auf gemeinsame Prätexte rekurriert wird, könnte aus philologischer Perspektive ein ergiebiges Forschungsfeld sein. Darüber hinaus gilt es auch die Möglichkeit nicht beauftragter, aber gedruckter Reden zu beachten: Dass eine Oratio aufgrund eines kaiserlichen Geheißes publiziert wurde, bedeutet nicht zwangsläufig, dass sie auch auf dessen Wunsch hin verfasst worden war.

Es darf davon ausgegangen werden, dass ein nicht zu vernachlässigender Anteil der Reden vor/an Maximilian erst im Nachhinein für den Druck bestimmt wurde. Derartige Reden zu identifizieren und sie einem intertextuellen Vergleich mit der bereits zuvor seitens des Hofs geförderten Literatur zu unterziehen, wäre mit Hinblick auf die darin zu Tage geförderten Synergien zwischen kaiserlichem Umfeld und Poeten reizvoll und könnte unsere Vorstellung davon, welche Teile von Maximilians Inszenierung aktiv von ihm und seinen Beratern erschaffen wurden und wo das kaiserliche Team im Sinne moderner Medienmanager bereitwillig auf bereits Vorhandenes zurückgriff, präzisieren.

English version

The catalogues of the VD16 (https://www.gateway-bayern.de/TP61/start.do ) and the Austrian National Bank contain 39 prints in which Maximilian is mentioned in the title (excluding later reprints of his own works).

In addition to three epics, two Prognostika and the Amores by Conrad Celtis, 20 prints of individual speeches, poems and performances, as well as 13 anthologies of various speeches and poems before/to Maximilian the Emperor are mentioned in the title. Among the prints that appeared as independent publications, there are nine speeches to Maximilian, four poems, two theological treatises, two theatre performances and incitements to war against the Turks and Venice respectively, as well as Bartholinus’ travelogue to the Vienna Diet of 1515. In the anthologies, the connection to Maximilian is established six times via poems dedicated to him, five times in speeches addressed to the emperor, as well as one collection of law and one collection of letters dedicated to the ruler.

Although this distribution will have to be relativised, as a large number of individual panegyric poems as part of collections do not appear directly in the VD16 or the catalogue of the ÖNB, it is no longer fundamentally overturned: Due to those speeches that were written and printed in the context of events but not directly recorded for the same reasons as individual poems, their number will also continue to increase.

The high proportion of oratory among the Latin prints for Maximilian thus remains remarkable. As Müller has noted (1982, 74-79), prints were neither disseminated on an inflationary scale in Maximilian’s circle, nor could the public be expected to have the necessary knowledge of Latin to understand the text, which is why the published Latin speeches by their very nature could not be a medium of widespread propaganda. While the immediate practical use of their printing for the patrons remained limited, the willingness of the humanistically educated authors to indulge in supposedly everyday literature is not necessarily obvious at first glance.

Other textual genres such as the epic or panegyric poetry would have offered the poets a more obvious opportunity to demonstrate their literary ability and their capacity for glorification and thus secure the patronage of the ruling elite. However, the quantitative approximation of the Latin prints for Maximilian suggests that this was not the case: if both parties had not perceived the Oratio as a fruitful literary product, the total number of printed Latin speeches would simply have been lower. The patrons evidently ascribed them a lasting value that extended beyond the moment of their delivery, while the authors in turn saw them as an opportunity to make a literary name for themselves.

There is undoubtedly the option that many authors merely bowed to the wishes of their financiers and served an existing market by writing an oratio, but this is precisely what needs to be examined against the background of the interaction and intertextuality of Latin writers in Maximilian’s circle. The systematic analysis of correspondences and paratexts with regard to metapoetic debates could provide clarity here. From a genre-theoretical perspective, the ability to compose stylistically high-quality Latin speeches is hardly surprising, as a speech praising the emperor is usually only separated from a panegyric poem by the metre, but not by the content.

When the heroic deeds of the emperor are praised in an epic or a panegyric poem and his exemplary character traits are extolled, this is inevitably accompanied by a hyperbolic depiction. But even in speech, the author is not obliged to be objective; in fact, it is at the very core of an oration to pursue a subjective agenda with its help. In the service of this agenda, just as in the panegyric poem, there is an exuberant characterisation of the emperor; here too – unless it is an invective – he receives homage through the words of others when foreign legations address him, he is advised to wage war against the Turks and/or Venice, or the speech exalts the occasion which the ruler is attending.

Examining the speeches before and to Maximilian with regard to intertextual points of contact with other panegyric texts and determining whether they perhaps even refer to common pretexts could be a fruitful field of research from a philological perspective. In addition, the possibility of non-commissioned but printed speeches should also be considered: The fact that an oratio was published at the behest of an emperor does not necessarily mean that it was written at the emperor’s request.

It can be assumed that a not insignificant proportion of the speeches before/to Maximilian were only intended for printing afterwards. Identifying such speeches and subjecting them to an intertextual comparison with the literature previously promoted by the court would be appealing in view of the synergies between the imperial environment and the poets that they bring to light and could clarify our idea of which parts of Maximilian’s production were actively created by him and his advisors and where the imperial team readily drew on what already existed, in the sense of modern media managers.

Übersicht: Lateinische Drucke mit Maximilian im Titel (Reden hervorgehoben)
Overview: Latin prints with Maximilian in the title (speeches emphasised)

Epen (3)Diverses (3)Anthologien (13)Drucke einzelner Schriften (20)
1494 Carminum libri III in laudem Maximiliani I. imperatoris1502 Divo Maximiliano caesari semper augusto dedicatum pronosticon ad annos domini MDIII et IIII1491 Sex urbium dicta ad Maximilianum Romanorum regem1486 Oratio ad Fridericum III. imperatorem et Maximilianum I. regem (…)
1512 CIMBRIACI POE. ENCOMIA=||STICA (…)1502 Conradi Celtis … Quatuor libri amorum (…)1497 Libri philomusi. (…)  1494 Oratio ad Maximilianum regem
1516 AD DIVVM MAXIMI=||lianum (…)1514 ANDREAE STIBORII BOII (…)1505 DE diui Maximi||liani Cęsaris aduentu in Coloniam (…)1501 Ad Caesarem pro re christiana oratio 
  1507 (…) Elegia Sebastiani Brant: in mortẽ Philippi || regis Castelle filij Maximiliani regis ||1501 Ludus Diane in modum Comedie (…)
  1508 COmpẽdiũ breue et || pulcerrimũ (…)1504 Oratio ad regem Maximilianu[m] de laudibus at[que] amplitudi[n]e Germaniae
  1509 Varia Philippi Beroaldi opu||scula (…)1505 IN HOC LIBELLO CONTINENTVR. (…)
  1509 Opera Bebeliana sequentia (…)1508 Oratio Legatorum Venetorum (…)
  1513 Hęc in libello continentur.(…)1509 Joannis Antonij Mo=||desti (…)
  1513 PIERII VALERIANI DE HONO=||ribus (…)1510 Ludouici Heliani Vercellensis (…)
  1513 Modus predicandi subtilis (…)1510 In laudẽ #[et] honorẽ (…)
  1514 In hoc libello (…)1512 STAVROSTICHON || hoc est carmen (…)
  1516 QVAE IN HOC (…)1512 ADRIANI VVOLFHARDI TRANSSYL/||VANI (…)
  1516 ORATIONES VIENNAE AVSTRIae (…)1512 AD DIVVM MAXIMILIANVM (…)
   1515 ODEporicon idest Itinerariũ (…)
   1515 Diuo Maximiliano Ces.Augusto (…)
   1515 IOANNIS TRITEMII || Abbatis (…)
   1516 EPI||STOLA AD || MAXIMILI=||anum (…)
   1518 ORATIO PER. R.|| PATREM (…)
   1518 RICH=||ARDI BARTOLINI PE=||rusini (…)
   1518 AD DIVVM MAXI||MILIANVM (.,.)